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Tag 28: Es ist ein Voodoo!

1. Juli 2010

Wir haben Zuwachs bekommen. Das neue Mitglied unserer Wintermärchen-Mission ist etwa zehn Zentimeter groß, seine Mundwinkel hängen chronisch nach unten. An der Stelle seiner Augen stecken je zwei grobe Stiche im Filz und in seinem Magen vier Nadeln. Es ist eine Voodoo-Puppe im Trikot der argentinischen Nationalmannschaft. In unserem Auto (es ist inzwischen der dritte Mietwagen, der erste hatte einen Reifenschaden, der zweite über Nacht einen veritablen Sprung in der Frontscheibe) bekam es während der Überfahrt von Durban nach Johannesburg einen Ehrenplatz: direkt unter dem Rückspiegel an der Kordel, mit der wir den Wimpel des Bayerischen Fußballverbandes und unsere Discokugel befestigt haben, mit der wir unser WM-Mobil geschmückt haben. Die Kordel haben wir, wie es sich gehört, um den Hals der Puppe gewickelt – es ist unser Beitrag zum Triumph der Deutschen über Argentinien.

Wir haben sie von Guilherme und Alex geschenkt bekommen, zwei Brasilianern, die wir in unserem Guest House in Durban kennengelernt haben. Die beiden sind seit dem letzten Gruppenspiel der Deutschen gegen Ghana im Land, das sie sich im Stadion angesehen haben. Danach standen die Partien Italien gegen Slowakei, Brasilien gegen Portugal und das Achtelfinale zwischen Niederlande gegen die Slowakei auf ihrem Programm. Am Freitag stehen sie im Stadion von Port Elizabeth, um die Brasilianer ins Halbfinale zu brüllen, und am Samstag im Stadion von Kapstadt, um die argentinische Voodoo-Puppe zu traktieren. Denn sie hätten uns die Puppe natürlich im Leben nicht geschenkt, wenn sie sich vor ihrer Abreise in Sao Paolo nicht mit so vielen Puppen eingedeckt hätten, dass der Vorrat in jedem Fall bis zum Finale reicht. In ihrem Gepäck gibt es auch eine niederländische und eine spanische Puppe.

Doch so sehr sich die beiden 29-Jährigen auch wünschen, dass die Deutschen die Argentinier schlagen – ein Wunsch ist noch größer. Nämlich der, dass das Finale am 11. Juli Brasilien gegen Argentinien lauten möge. Auch für dieses Spiel haben sie bereits Tickets. Es gebe weltweit wohl keine Rivalität, die noch größer sei, sagt Guilherme. Und er mag sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn es tatsächlich zu diesem Traumfinale kommen sollte.

„Jedes Mal, wenn ein Spiel von Brasilien übertragen wird, zum Beispiel in São Paulo, wo ich lebe… also, wir sahen das erste Spiel der Brasilianer gegen Nordkorea noch zuhause. Das Spiel begann um vier, jeder hat das Büro um zwei verlassen. Die meisten Firmen hatten ihren Mitarbeitern frei gegeben, und die Stadt war so voll, dass man sich kaum bewegen konnte. Der Verkehr brach zusammen, es wirkte, als sei ein Hurrikan im Anmarsch. Und als das Spiel losging, waren die Straßen leer. Ein WM-Finale zwischen Brasilien und Argentinien? Die Leute werden an Herzinfarkten sterben. Das ist, was wir wirklich erwarten.“

Deshalb haben sie ihre WM-Reise auch von hinten aufgezäumt. Erst, als sie auf der Fifa-Seite im Internet Karten fürs Finale ergattert hatten, beschlossen sie, nach Südafrika zu kommen. Die Diskussionen um die Sicherheit während der WM seien auch in Brasilien aufgekommen, erzählt Guilherme. Das hätte sie aber nicht davon abgehalten, ins Flugzeug zu steigen.

„Ich glaube, weil wir in Brasilien leben, sind wir diese Art von Nachrichten gewöhnt. Und mit Sicherheit wird es diese Diskussionen vor der WM in Brasilien auch geben. Wenn du dorthin reisen willst, werden dir die Leute erzählen: Sei vorsichtig, geh nicht hierhin, geh nicht dorthin. Aber wenn du mich fragst, werde ich antworten: Also, ich lebe hier. Ich hatte noch nie große Probleme. Man hat uns viel über Gewalt in Südafrika erzählt, vor allem in Johannesburg. Es hieß, Durban, Port Elizabeth und Kapstadt, wohin wir jetzt fahren, seinen sicherer. In Joburg waren wir etwas besorgt. Aber wir hatten keine Probleme. Es ist dasselbe, wenn du mir jetzt erzählen würdest, du willst 2014 nach Brasilien kommen: Sei vorsichtig, aber wahrscheinlich wird alles in Ordnung sein.“

Frey & Schächtele haben den genau umgekehrten Weg der Jungs aus Brasilien genommen: Wir sind in der heimeligen Atmosphäre von Kapstadt gestartet und sind jetzt zum Ende unserer Mission in Johannesburg angekommen. Doch bevor jetzt die ersten Leser Überlegungen anstrengen, uns hier rauszuholen: Seid unbesorgt. Erstens sind wir vorsichtig. Und zweitens haben wir ja jetzt eine Voodoo-Puppe.

PS: Der aktuelle Stand unserer Facebook-Gruppe: 380.

4 Kommentare zu 'Tag 28: Es ist ein Voodoo!'

  1. kreuzwortfeuer sagte am 2. Juli 2010 um 13:56 Uhr:

    Toller Blog!!

    Hier noch zur Berichterstattung über die WM:

    http://kreuzwortfeuer.wordpress.com/2010/06/25/not-gegen-elend/

  2. stefan sagte am 2. Juli 2010 um 14:16 Uhr:

    magic people voodoo people … wird euch nix helfen, meine lieben, man sieht´s ja auch am südafrikanischen himmel, selbst der strahlt schon in den klaren farben der albiceleste ..

  3. kaischaechtele sagte am 3. Juli 2010 um 13:45 Uhr:

    Stefan, wir haben jetzt vorsorglich eine weitere Nadel in die Puppe gesteckt. An uns jedenfalls wird es nicht gelegen haben, wenn es heute nachmittag schief geht.

  4. Thomas sagte am 7. Juli 2010 um 13:25 Uhr:

    Dass Ballack beleidigt ist und Mueller fehlt wird sich morgen Abend hoffentlich nicht auf die Partie auswirken.

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