1. Juli 2010

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Wir haben Zuwachs bekommen. Das neue Mitglied unserer Wintermärchen-Mission ist etwa zehn Zentimeter groß, seine Mundwinkel hängen chronisch nach unten. An der Stelle seiner Augen stecken je zwei grobe Stiche im Filz und in seinem Magen vier Nadeln. Es ist eine Voodoo-Puppe im Trikot der argentinischen Nationalmannschaft. In unserem Auto (es ist inzwischen der dritte Mietwagen, der erste hatte einen Reifenschaden, der zweite über Nacht einen veritablen Sprung in der Frontscheibe) bekam es während der Überfahrt von Durban nach Johannesburg einen Ehrenplatz: direkt unter dem Rückspiegel an der Kordel, mit der wir den Wimpel des Bayerischen Fußballverbandes und unsere Discokugel befestigt haben, mit der wir unser WM-Mobil geschmückt haben. Die Kordel haben wir, wie es sich gehört, um den Hals der Puppe gewickelt – es ist unser Beitrag zum Triumph der Deutschen über Argentinien.

Wir haben sie von Guilherme und Alex geschenkt bekommen, zwei Brasilianern, die wir in unserem Guest House in Durban kennengelernt haben. Die beiden sind seit dem letzten Gruppenspiel der Deutschen gegen Ghana im Land, das sie sich im Stadion angesehen haben. Danach standen die Partien Italien gegen Slowakei, Brasilien gegen Portugal und das Achtelfinale zwischen Niederlande gegen die Slowakei auf ihrem Programm. Am Freitag stehen sie im Stadion von Port Elizabeth, um die Brasilianer ins Halbfinale zu brüllen, und am Samstag im Stadion von Kapstadt, um die argentinische Voodoo-Puppe zu traktieren. Denn sie hätten uns die Puppe natürlich im Leben nicht geschenkt, wenn sie sich vor ihrer Abreise in Sao Paolo nicht mit so vielen Puppen eingedeckt hätten, dass der Vorrat in jedem Fall bis zum Finale reicht. In ihrem Gepäck gibt es auch eine niederländische und eine spanische Puppe.

Doch so sehr sich die beiden 29-Jährigen auch wünschen, dass die Deutschen die Argentinier schlagen – ein Wunsch ist noch größer. Nämlich der, dass das Finale am 11. Juli Brasilien gegen Argentinien lauten möge. Auch für dieses Spiel haben sie bereits Tickets. Es gebe weltweit wohl keine Rivalität, die noch größer sei, sagt Guilherme. Und er mag sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn es tatsächlich zu diesem Traumfinale kommen sollte.

„Jedes Mal, wenn ein Spiel von Brasilien übertragen wird, zum Beispiel in São Paulo, wo ich lebe… also, wir sahen das erste Spiel der Brasilianer gegen Nordkorea noch zuhause. Das Spiel begann um vier, jeder hat das Büro um zwei verlassen. Die meisten Firmen hatten ihren Mitarbeitern frei gegeben, und die Stadt war so voll, dass man sich kaum bewegen konnte. Der Verkehr brach zusammen, es wirkte, als sei ein Hurrikan im Anmarsch. Und als das Spiel losging, waren die Straßen leer. Ein WM-Finale zwischen Brasilien und Argentinien? Die Leute werden an Herzinfarkten sterben. Das ist, was wir wirklich erwarten.“

Deshalb haben sie ihre WM-Reise auch von hinten aufgezäumt. Erst, als sie auf der Fifa-Seite im Internet Karten fürs Finale ergattert hatten, beschlossen sie, nach Südafrika zu kommen. Die Diskussionen um die Sicherheit während der WM seien auch in Brasilien aufgekommen, erzählt Guilherme. Das hätte sie aber nicht davon abgehalten, ins Flugzeug zu steigen.

„Ich glaube, weil wir in Brasilien leben, sind wir diese Art von Nachrichten gewöhnt. Und mit Sicherheit wird es diese Diskussionen vor der WM in Brasilien auch geben. Wenn du dorthin reisen willst, werden dir die Leute erzählen: Sei vorsichtig, geh nicht hierhin, geh nicht dorthin. Aber wenn du mich fragst, werde ich antworten: Also, ich lebe hier. Ich hatte noch nie große Probleme. Man hat uns viel über Gewalt in Südafrika erzählt, vor allem in Johannesburg. Es hieß, Durban, Port Elizabeth und Kapstadt, wohin wir jetzt fahren, seinen sicherer. In Joburg waren wir etwas besorgt. Aber wir hatten keine Probleme. Es ist dasselbe, wenn du mir jetzt erzählen würdest, du willst 2014 nach Brasilien kommen: Sei vorsichtig, aber wahrscheinlich wird alles in Ordnung sein.“

Frey & Schächtele haben den genau umgekehrten Weg der Jungs aus Brasilien genommen: Wir sind in der heimeligen Atmosphäre von Kapstadt gestartet und sind jetzt zum Ende unserer Mission in Johannesburg angekommen. Doch bevor jetzt die ersten Leser Überlegungen anstrengen, uns hier rauszuholen: Seid unbesorgt. Erstens sind wir vorsichtig. Und zweitens haben wir ja jetzt eine Voodoo-Puppe.

PS: Der aktuelle Stand unserer Facebook-Gruppe: 380.

¬ geschrieben von kaischaechtele in Allgemein, Audio

1. Juli 2010

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Das Herz von Durban from Frey und Schaechtele on Vimeo.

Und heute: Abfahrt. Wir verlassen Durban und machen uns auf den Weg nach Johannesburg. Vorher wollen wir aber noch die neue Folge unserer Ton-Bild-Reportagen über das Herz von Durban präsentieren. Elda und Edison, die beiden Maleria-Forscher, hatten versprochen, uns den Ort zu zeigen, der uns spüren lässt, dass Durban die erste afrikanische Stadt unserer Reise ist. Die überwiegende Mehrheit der Menschen hier gehört zur Volksgruppe der Zulu, und damit unterscheidet sich Durban etwa von Kapstadt sehr stark, das in seiner Bevölkerungszusammensetzung eher europäisch daherkommt. Daneben gibt es auch eine große indische Gemeinde, was man allein merkt, wenn man das Radio anmacht. Auf Lotus FM war dies am vergangenen Samstag die Nummer eins der “Bollywood-Billboards”:

Jetzt aber zu unserer Reise ins Herz von Durban. Wenn man es genau nimmt, war es eher ein Kurztripp. Wir waren dort nicht überall willkommen, so dass wir die neue Folge unserer Ton-Bild-Reportagen unter erschwerten Bedingungen produzieren mussten. Nicht etwa, weil wir mit Kamera und Mikrofon wie Touristen aussahen. Sondern vielmehr, weil sich dort bislang so wenige echte Touristen haben blicken lassen. Doch: Seht selbst.

¬ geschrieben von kaischaechtele in Allgemein, Audio, Slideshows

29. Juni 2010

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Erinnert sich jemand an Uli Hoeneß? Es war bei einer Ehrung im Münchner Rathaus im Januar, als der Präsident des FC Bayern München sagte, dass es eine der größten Fehlentscheidungen der Fifa gewesen sei, die WM nach Südafrika zu vergeben. Es habe aber keinen Sinn mehr, darüber zu lamentieren. „Man muss versuchen, das Beste daraus zu machen.“ Er werde selbstverständlich nicht nach Südafrika reisen. Hoeneß hat seine Ankündigung wahr gemacht. Doch so beliebt sein Verein bei vielen Südafrikanern auch sein mag: Ihn vermisst hier niemand. Ganz besonders nicht Elda Mohapi.

Elda ist eine Kollegin von Edison, auch sie arbeitet im Malaria-Forschungsprogramm, sie hat sich auf Moskitos spezialisiert. Im Erdgeschoss des Instituts gibt es eine Art Säuglingsstation, in der die Insekten gezüchtet werden, damit Elda und ihre Kollegen die Verbreitungswege von Malaria besser verstehen können. Im Norden richtet sie noch immer großen Schaden an, Infizierte sterben innerhalb einer Woche. Es sei ihr Ziel, die Malaria irgendwann in ganz Südafrika auszurotten, sagt sie. Die 36-Jährige kann lang und unterhaltsam über ihr Fachgebiet sprechen, Unterbrechungen duldet sie nur von sich selbst, wenn sie lachen muss. Und das passiert oft. Wenn sie allerdings auf die WM zu sprechen kommt, weicht die Herzlichkeit schnell aus ihrem Gesicht. Schuld daran sind Männer wie Ulli Hoeneß.

„Wir waren ziemlich geschockt, als wir die Meldungen darüber gehört haben, dass die Leute nicht glauben, dass wir diese WM ausrichten können. Aber es gibt eine besondere südafrikanische Haltung: Südafrikaner sind sehr optimistisch. Du kannst es dir nicht erlauben, kein Optimist zu sein, wenn du einen Anführer hast wie Nelson Mandela. Jeder hier ist optimistisch. Wir glauben, dass wir alles schaffen, was wir uns vornehmen. Also haben wir einfach weitergemacht. Und dann hatten wir die WM. Jeder Südafrikaner ist stolz, wir haben der Welt gezeigt, dass wir Wettbewerbe von dieser Größe ausrichten können. Wir haben hier jede Menge fähiger Leute, wir haben eine Menge optimistischer Menschen im ganzen Land, die glücklich sind und heiter. Und wir werden diese WM bis zum Ende feiern, denn für uns war das die Nummer-Eins-Herausforderung: Gastgeber einer erfolgreichen WM zu sein.“

Elda gehört zu einer Generation, auf deren Schultern die Zukunft dieses Landes liegt, so pathetisch das auch klingt. Als Nelson Mandela zum Präsidenten Südafrikas gewählt wurde, war sie 20 Jahre alt. Sie hat studiert und ihre Heimatstadt Polokwane verlassen, um Wissenschaftlerin zu werden. Damit ist sie Teil des intellektuellen Rückgrats Südafrikas. Es wird in den kommenden Jahren auf Menschen wie sie ankommen, aus dem Geist, den die WM erzeugt hat, etwas zu erschaffen, von dem nicht nur Südafrika profitieren wird, sondern der ganze Kontinent. Südafrika sei es gelungen, die Wahrnehmung von Afrika zu verändern, sagt sie. Und jetzt gelte es, diesen Schwung mit in die Herausforderungen der kommenden Jahre zu nehmen.

„Die Demokratie des Südafrika, wie wir es heute kennen, steckt jetzt in der Pubertät, sie ist 16 Jahre alt. Und wir wissen, wie Teenager sind: Sie sind rebellisch, verhalten sich nicht konform und vorhersehbar. Unser Land geht jetzt durch eine Phase, in der es versucht, sich in der Freiheit wiederzufinden, die die Demokratie mit sich bringt. Deren Prinzipien sind jetzt installiert. Und unsere größte Herausforderung ist, diesen Prozess fortzusetzen. Denn wenn Südafrika das hinbekommt, wird der Rest des Kontinents folgen. Die Zukunft dieses Kontinents hängt an Südafrika. Wir müssen es schaffen, damit Afrika überleben wird.“

Elda ist eine ehrgeizige und stolze Frau, sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie ihren Teil dazu beitragen wird, dass Südafrika zum Role-Model für den ganzen Kontinent werden kann. Doch es gehört auch zur Realität des Südafrika im Jahr 2010, dass sie für ihre Art zu leben, zu denken und zu arbeiten, auf einem anderen Gebiet die Quittung bekommt. Männer, erzählt sie, wollten keine Frau, die emanzipiert ist und für einen Job die Stadt wechselt. „Sie wollen Frauen, die zuhause bleiben und sich um den Haushalt kümmern, und es gibt nur wenige, die cool genug sind, die traditionellen Rollenmuster über Bord zu werfen.“ Elda hat von den Transformationsprozessen, die das Land bereits durchlaufen hat, genauso profitiert wie sie darunter zu leiden hat: Sie hat eine Karriere gemacht, die während der Apartheid nicht möglich gewesen wäre, zahlt dafür aber den Preis, dass sie keinen Mann findet, der sich auf eine so unabhängige Frau einlassen will.

Weil Elda möglichst vielen Menschen in Deutschland zeigen will, wie weit Südafrika auf seinem Weg schon gekommen ist, haben sie und Edison versprochen, uns auf eine Stadttour durch Durban mitzunehmen, die wir ausführlich dokumentieren werden. Für heute müssen deshalb ein paar Impressionen von einem Tag genügen, der uns weit weniger in Orange gewandete Fans bescherte, als wir erwartet hatten, dafür aber deutlich mehr Wind, als das Fanfest direkt am Meer vertragen konnte. Die Beachfront war deshalb während des Achtelfinales Niederlande gegen Slowakei leergeweht und der Vergnügungspark nebenan blinkte so tapfer wie vergeblich vor sich hin. Ist halt Winter.

PS: In unserer Facebook-Gruppe haben wir inzwischen mit einem kleinen Tusch das 300. Mitglied willkommen geheißen.

¬ geschrieben von admin in Allgemein, Audio

28. Juni 2010

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Durban – Berlin – Port St. Johns – Durban: Bis es soweit war, dass wir das Achtelfinale Deutschland gegen England gemeinsam mit Edison Mavundza sahen, musste eine etwas mehr als ein MB große Datei erst von Afrika nach Europa und wieder zurück reisen. Edison hatte eine Email unter anderem an Lorenz Schröter geschickt, einen befreundeten Journalisten aus Berlin, in deren Anhang eine Power-Point-Datei steckte mit dem Titel „It does not matter that we did not qualify“. Es ist der Auftrag an die Südafrikaner, die WM trotz des Ausscheidens der eigenen Mannschaft genauso leidenschaftlich zu begleiten, wie sie das während der Gruppenphase getan hatten. Und zwar so:

„choose another country to support
paint your face for that team
fill the fan parks
help a tourist
say hello to new people
fly the flags even higher“

Lorenz reichte diese Email an uns weiter, und als wir Edison am Wochenende anriefen und fragten, ob er denn Lust habe, uns eine Zeit lang an seiner WM teilhaben zu lassen, überlegte er keine Sekunde und sagte: “Klar, ruft an, wenn ihr hier seid.” Und so trafen wir ihn heute, um gemeinsam mit ihm das Deutschlandspiel zu sehen.

Durban, so sagte man uns, werde die erste wirklich afrikanische Stadt auf unserer Reise sein. Kapstadt sei viel zu europäisch, all die anderen Städte, die bislang auf unserer Route lagen, viel zu klein. In Durban aber würden wir zum ersten Mal erleben, dass diese WM tatsächlich in Afrika stattfindet. So gesehen war der Auftakt ein Reinfall: Es hat den ganzen Tag über geregnet, die Menschen verkrochen sich zuhause oder unter Regenschirmen, die Plakate neben den Palmen, auf denen „The warmest place to be in 2010“ stand, wirkten in etwa so plausibel wie der Nike-Werbespot, in dem Wayne Rooney den Ritterschlag von Queen Elizabeth erhält. Nebenbei bemerkt: Der Nutella-Fluch ist inzwischen offenbar vom Nike-Fluch abgelöst worden. Früher galt die Regel: Wer für Brotaufstrich wirbt, ist früher oder später fußballerisch erledigt. Man schaue sich jetzt mal aufmerksam den aktuellen Nike-Film an: Drogba? Raus. Cannavaro? Raus. Ribéry? Raus. Rooney? raus. Ronaldo ist auch bald an der Reihe. Und ist es außerdem nicht schön, dass mit Capello auch der letzte Italiener das Turnier geräumt hat? Doch wir schweifen ab. Wo waren wir stehen geblieben? Richtig: bei Edison.

Edison stammt aus Pretoria, er spricht Tsonga, eine der elf Landessprachen. Wenn er sich in seiner Erstsprache vorstellt, klingt das so:

Nach Durban kam er, um als Wissenschaftler in einem Malaria-Forschungsprogramm mitzuarbeiten. Seine Biographie ist exemplarisch für viele Schwarze, wenn auch noch viel zu wenige in diesem Land: Er ist 28 Jahre alt, die Rigidität der Apartheid kennt er vor allem aus den Geschichten der Älteren, die davon erzählen, dass Schwarze nicht auf denselben Parkbänken sitzen durften wie Weiße und Schwarze nicht dieselben Chancen hatten wie Weiße, etwas aus ihrem Leben zu machen. Edions Eltern gehören noch einer Generation an, die die Schule ohne vernünftigen Abschluss verlassen haben. Weil es ihr Sohn später besser haben sollte, schickten sie ihn zur Universität. Seine Arbeit als Wissenschafter bedeutet ihm viel, seine Leidenschaft aber gehört dem Fußball. Doch die allein war nicht der Grund dafür, dass es ihm eine Selbstverständlichkeit war, den Nachmittag mit uns zu verbringen. Sondern: Ubuntu.

„Es gibt etwas in Afrika, das wir Ubuntu nennen, vor allem in Südafrika. Es bedeutet: sich um andere kümmern. Es heißt Menschlichkeit. Egal, wohin man in Südafrika geht: Man trifft dort auf Ubuntu. So wie jetzt: Ihr kamt nach Südafrika und habt mich gefragt, ob ich euch ein bisschen herumführen kann. Also habe ich Ubuntu gezeigt. Menschen in Afrika sind sehr herzlich. Ihr habt es in anderen Städten ja auch erlebt: Die Leute haben euch gefragt, ob ihr etwas essen wollt, ob es euch gut geht. Es gibt kein Haus, das ihr besucht, in dem euch nichts zu essen angeboten wird. Das ist der Punkt. Es wäre eine Beleidigung für Menschen in Afrika, wenn man sie besucht und dort nichts bekommt. Man muss einfach etwas bekommen.“

Edison ist ein passionierter Fußballfan. Er ist Anhänger der Orlando Pirates aus Johannesburg, deren Trikot er auf dem Bild oben einen Spalt breit zur Schau stellt. Er kennt sich aber auch genauso gut im deutschen wie im englischen Fußball aus. Nach dem Ausscheiden der Südafrikaner gehören seine Sympathien zwar den Ghanaern, aber weil er guten Fußball liebt, quittierte er den furiosen Sieg der Deutschen mit einem anerkennenden Nicken. Sie hätten die Engländer gegen die Wand gespielt und keiner sei, fast noch wichtiger, nur auf den eigenen Glanz bedacht gewesen. Und er wünsche uns, dass Deutschland im Viertelfinale genauso auftreten wird. Was denn nun mit den Südafrikanern sei, fragten wir ihn zum Abschied.

„Ihr müsst euch nur umschauen. Die Leute tragen immer noch Südafrikaflaggen mit sich herum und Bafana Bafana-Shirts, obwohl wir draußen sind. Keiner jammert. Oder habt ihr jemanden erlebt, der sich über die Spieler beschwert hätte? Nein, sie feiern, dass wir die Gastgeber unserer Besucher sind.“

Und es stimmt: Auch wir haben noch niemanden getroffen, der es schon immer gewusst hat, dass die Südafrikaner nichts reißen würden, niemand hat darüber geschimpft, dass die Südafrikaner als der erste WM-Gastgeber in die Geschichte eingehen werden, der die Gruppenphase nicht überstanden hat. Südafrika zeigt Ubuntu. Heute nachmittag wird die Gastfreundschaft zumindest der Durbaner allerdings auf eine harte Probe gestellt: Dann fallen die Niederländer über die Stadt herein.

¬ geschrieben von admin in Allgemein, Audio

25. Juni 2010

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Donnerstag nachmittag, gegen 15 Uhr: Wir schalten um ins Stadion von Port St. Johns, einem kleinen Aussteigernest an der Wild Coast, etwa 300 Kilometer südlich von Durban. Auch dort gibt es Public Viewing, nur ohne Public. Auf dem Gelände verlieren sich etwa 30 Polizisten und genauso viele Helfer, aber kein einziger Besucher. So verpassen die Menschen aus Port St. Johns, wie Ernst Middendorp vor Beginn des Spiels Italien gegen Slowakei über die Probleme vermeintlich großer Teams in der Gruppenphase spricht. Wi kän tell ju: Its samsing rili speschal.

Und so erlebte der Rest von Port St. Johns das Spiel.

Drei Stunden später: Wir blenden uns ein in die Radiokonferenz, es spricht der uns bereits bekannte Kommentator, dem wir ja bereits den Ehrentitel „Edi Finger Südafrikas“ zuerkannt haben und von dem wir inzwischen immerhin wissen, dass er Brian heißt.


In diesem Sinne: Ciao, Bella!

PS: Und der aktuelle Stand unseres Unterstützer-Kontos: 841, 57 Euro. Vielen Dank an alle, die bislang überwiesen haben. Und wer uns seinen Beitrag überweisen möchte: Ganz oben findet Ihr den Unterstützer-Button.

¬ geschrieben von admin in Allgemein, Audio

24. Juni 2010

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Als wir uns vor drei Wochen auf den Weg nach Südafrika gemacht haben, hatten wir die Frage im Gepäck: Würde dieses Land in den vor uns liegenden Wochen ein Wintermärchen erleben, so wie Deutschland vier Jahre zuvor sein Sommermärchen hatte? Diese Frage ist seit Dienstag abend so gut wie beantwortet: nein, leider nicht. Zu einem Sommermärchen hatte die WM 2006 ja nicht werden können, weil vier Wochen lang die Sonne schien und auf manche Autos mehr Fahnen montiert waren als Reifen. Ein Sommermärchen war es von dem Moment an geworden, als Oliver Neuville in der Partie gegen Polen kurz vor Schluss den Ball ins Netz schob, es war das zweite Gruppenspiel. Erst dadurch waren die Deutschen zu dem fröhlichen Volk geworden, das am Ende stolz darauf war, sich der Welt ganz anders präsentiert zu haben, als die Welt das vermutet hatte: mit einem Lächeln im Gesicht, mit Leidenschaft und Optimismus.

Ein solcher Moment ist den Südafrikanern leider verwehrt geblieben. Doch was machen die Südafrikaner? Sie lächeln einfach weiter. Und weiß Gott, nachdem deren Nationalmannschaft das zweite Tor gegen die Franzosen erzielt hatte, war der Lärm in der Bar, in der wir das Spiel sahen, so laut, dass er auch hundert Vuvuzelas verschluckt hätte – wenn die dort nicht verboten gewesen wären. In einer Bar wie dem Joburg in Kapstadt, wo wir das Auftaktspiel verfolgt hatten, wäre ein Vuvuzela-Verbot in etwa so sinnvoll gewesen wie der Versuch, den Bierkonsum zu unterbinden. Wir saßen aber im überdachten Außenbereich einer Rugby-Kneipe in East-London, direkt am Meer, und dort ist die Vuvuzela so beliebt wie ein American Football-Fan. Die überwiegende Mehrheit des Publikums war weiß, nur vereinzelt hatten sich ein paar Schwarze darunter gemischt. East-London ist eine Kleinstadt im Südosten des Landes, und dass die Rassen hier noch lange nicht zusammen gewachsen sind, sieht man allein daran, dass Schwarze durch die Gitter eines sich abschottenden Wohnviertels Reklame in die Briefkästen stecken, die dahinter aufgebaut sind. Über Südafrika hängt die Angst vor Einbrüchen und Überfällen wie eine schwere Wolke, die sich mal leer regnen müsste. Doch sie ist in den vergangenen Jahren nur noch größer geworden.

Immerhin: Dass im Boocaneer´s fast nur Weiße saßen, kann man als Zeichen dafür werten, dass an diesem Nachmittag dann doch die ganze Nation hinter der Mannschaft stand. Einer davon war Gordon Rogers, ein stämmiger Mann, der das ganze Spiel über heimischen Rotwein trank und Zigarillos rauchte. Rogers ist Südafrikaner, durch und durch, obwohl seine Eltern aus Schottland stammen. Es ist wohl auf seine europäischen Wurzeln zurückzuführen, dass er sich vor einer Leinwand, auf der ein Fußballspiel läuft, genauso verausgabt wie vor einer, auf der Rugby übertragen wird. Man höre sich nur seine Stimme nach dem Spiel an:

“Ich finde, das Wichtigste ist: Es spielt keine Rolle, welchen Sport wir uns ansehen. Ob es Fußball ist… Ich bin ein typischer Südafrikaner. Ich liebe Rugby. Rugby ist kein Sport in Südafrika, es ist beinahe eine Religion. Aber es spielt keine Rolle, ob es Beach-Volleyball ist, Hockey oder Tennis: Wir sind alle Südafrikaner. Und wir müssen alle hinter unserer Nationalmannschaft stehen, unabhängig vom sportlichen Kodex. Und wir tun das.

Rogers ist Patriot, auch wenn er erst Südafrikaner in der ersten Generation ist. Oder vielleicht gerade deshalb. Er trägt nicht den Ballast mit sich herum, der noch immer schwer auf diesem Land liegt. Egal, mit wem man in diesen Tagen spricht, die Folgen der Apartheid kommen früher oder später immer zur Sprache. Rogers dagegen hat das Wort in unserem Gespräch kein einziges Mal erwähnt. Der 50-Jährige betreibt eine Baufirma, mit der er im Auftrag der Regierung Häuser bat, die meisten im Rahmen von Sozialbau-Programmen. Rogers war schlau genug, seine Firma schon mehrere Jahre vor dem Wandel auf das Ende der Apartheid vorzubereiten. Rogers ist nicht nur patriotisch, er ist genauso pragmatisch.

Auch er war nach dem Spiel enttäuscht über den Ausgang des Spiels. Das südafrikanische Wintermärchen kam leider nicht über den Prolog hinaus, nach nur drei Spielen ist die WM für Bafana Bafana vorbei. Am nächsten Tag schrieben die Zeitungen trotzdem: Danke, Jungs, dafür, dass ihr uns stolz gemacht habt! Die Südafrikaner haben einen ganz eigenen Umgang mit solchen Momenten etabliert: Sie suchen stets im Schlechten das Gute. Und so stellten wir auch Gordon die Frage: Was wird von dieser WM übrig bleiben, wenn die Welt nicht mehr nach Südafrika blickt?

“Das wird sehr interessant werden: Ich weiß nicht, wie sich all die Investitionen, die in diese WM gesteckt wurden, in der Zukunft rechnen werden. Erinnerungen kann man nicht kaufen und man kann sie auch nicht beziffern. Und es gibt vieles in diesem Land, worin das Geld sicher sinnvoller investiert worden wäre. Aber von diesem Ereignis ging eine ungeheuer vereinigende Energie aus. Und es wird ein Potential für die Zukunft bleiben, das wir hoffentlich voll ausschöpfen können. Auch, weil wir uns der ganzen Welt präsentieren können: Touristen kommen in unser Land und erzählen ihren Freunden davon. Wir sind einfach das schönste Land der Welt. Und hoffentlich kommen nach der WM viele Leute zu uns und bringen Euro, Pfund und Dollar mit. Und sie werden sehen: Es steckt nicht hinter jeder Ecke ein Löwe, in Soweto gibt es keinen Krieg. Südafrika ist das zauberhafteste Land, mit allem, was Gott hervorgebracht hat. Und die wundervollsten Menschen.”

Zum Schluss fragten wir Gordon noch, ob es noch irgendetwas zu sagen gebe. Ja, antwortete er.

Hat ja geholfen.

¬ geschrieben von admin in Allgemein, Audio

21. Juni 2010

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So wie man an den Schuhen, die ein Mann trägt, sein Wesen erkennt, lässt sich an der Beziehung, die ein Land zum Fußball entwickelt hat, dessen Charakter ablesen. Die Österreicher etwa sind ein Volk, das durchdrungen ist von melancholischer Schwere, und so ist auch ihr Verhältnis zum Fußball eines, in dem sich helle Begeisterung mit düsterer Traurigkeit paart. Die Engländer tragen schwer daran, nur noch ein Schatten ihrer selbst zu sein, in der Weltordnung genauso wie auf dem Fußballplatz, erst recht bei dieser Weltmeisterschaft. Und wir Deutschen legen großen Wert auf Ordnung und Organisation und freuen uns über einen Sieg unserer Nationalmannschaft unabhängig davon, wie er zustande kam. Jedes Land, in dem der Fußball zu einem Teil nationaler Identität geworden ist, hat sein individuelles Verhältnis zu diesem Sport kultiviert. Für den Gastgeber dieser Weltmeisterschaft, für den am Dienstag nachmittag gegen 17 Uhr 45 mit dem Spiel gegen Frankreich aller Voraussicht nach auch dieses Turnier abgepfiffen sein wird, gilt das nur eingeschränkt: Der Sport ist nur für den schwarzen Teil dieses Landes identitätsstiftend. Aber auch das sagt viel aus über den Charakter Südafrikas.

Wir haben heute Station gemacht in Berlin, einem kleinen Nest im Nichts zwischen Port Elizabeth und Durban. Wer dorthin will, muss sich Kilometer um Kilometer auf der Fernstraße N2 voran arbeiten, gelegentlich warnen Straßenschilder vor kreuzenden Warzenschweinen, immer wieder tauchen Blechhüttensiedlungen am Horizont auf. Zola Williams, der Protagonist unserer Ton-Bild-Reportage von gestern, stammt aus genau dieser Gegend. Er hat in Eastern Cape seinen Schulabschluss gemacht und nach Arbeit gesucht, doch irgendwann musste er erkennen, dass er genauso viel Sinn hätte, hinter seiner Hütte ein Loch zu graben, um nach Öl zu bohren. Erst wenn man selbst sieht, wie wenig Leben es in dieser Gegend gibt, versteht man, warum so viele Menschen in die Großstädte ziehen, um dort nach Arbeit, Geld und Lebenssinn zu suchen. Mitten in dieser schier endlosen Weite liegt Berlin, ein Städtchen von 45 000 Einwohnern, wenn man alle Farmen und Hüttensiedlungen in der Umgebung mitzählt. 80 Prozent der Einwohner sind schwarz, 20 weiß. Mit anderen Worten: Für ein Fünftel der Berliner macht es keinen Unterschied, ob die WM in Südafrika oder in Spitzbergen stattfindet.

Wir waren in Berlin mit zwei entzückenden Damen verabredet: Koleka Mankongolo (im Bild links) und Lindi Mguni. Beide hat es in diese Gegend verschlagen, weil sie Männer von hier geheiratet haben. Koleka betreibt in Berlin eine Farm und besitzt außerdem eine Tankstelle in der Gegend, Lindis Farm liegt in einem benachbarten Örtchen – in Frankfurt. Kennen gelernt hatten wir die beiden am Freitag im Stadion von Port Elizabeth, wo sie, ausgestattet mit dem Trikot der südafrikanischen Nationalmannschaft, einer Schirmmütze und einem Sommerhut, neben uns saßen. Sie hatten sich vorgenommen, sich nur die Mannschaften anzusehen, die ihre Spiele auch gewinnen würden, erzählt Koleka.

“Wir wollten die Deutschen sehen, die Brasilianer und die Italiener. Wir hatten so gehofft, dass die Deutschen gut spielen würden. Aber wir waren so enttäuscht. Die sind ja nur über den Platz spaziert. Ach, waren wir enttäuscht.”

Für die Damen ist es eine Selbstverständlichkeit, diese WM nicht vor dem Fernseher zu verfolgen, sondern im Stadion. Es sei ein Wunder, dass dieses Ereignis nach Südafrika gekommen sei, sagen sie. Und sie wollen an diesem Wunder teilhaben, an der Atmosphäre im Stadion, an den Menschen, die aus aller Welt nach Südafrika gekommen sind, trotz aller Bedenken, trotz aller Warnungen. Dass so etwas in ihrem Land passieren konnte, das macht sie einfach stolz, sagt Lindi.

“Natürlich sind wir stolz. Wir sind stolz, euch in unserem Land zu Gast zu haben. Wenn ich den Fernseher anschalte, sehe ich die vielen Besucher und ich sehe, wieviel Spaß sie haben. Und das macht mich glücklich und stolz. Ja, ich bin stolz. Und wir spüren die Begeisterung immer noch (Anmerkung: trotz der Niederlage der Südafrikaner). Gerade jetzt im Moment mit euch hier. Wir spüren es wirklich, das ist toll. Wir lieben das.”

Doch für die beiden geht die Bedeutung des Fußball über diesen Stolz hinaus. Sie haben miterlebt, wie die Schwarzen während der Apartheid von den Weißen aus den Städten getrieben wurden, weit weg in die Prärie, abgeschnitten von allem, was ihnen die Chance auf Wohlstand hätte bieten können. Seit jeher ist Fußball in Südafrika ein schwarzer Sport. Wer einmal erlebt hat, wie Schwarze über einen bloßen, auf den Selbstzweck beschränkten Übersteiger lachen, als hätten sie einen guten Scherz gehört, spürt, dass in diesem Sport all das steckt, was ihnen die Apartheid versagen wollte: die Lebensfreude, die Begeisterung für den Moment, das Zusammensein. Der Fußball ist Teil der schwarzen Identität, auch deshalb, weil sich Weiße für ihn nicht interessieren.

So wie Collin Krauser, der Metzger von Berlin (Mitte). Krauser ist hier geboren, seine Eltern sind Deutsche, seit 32 Jahren arbeitet er schon im Metzgergewerbe. Der weiteste Ort, den er von seiner Heimat aus bislang besucht hat, war Johannesburg. Nein, sagt er, von WM-Atmosphäre sei hier nichts zu spüren. Unter der Decke hängt zwar ein Fernseher, auf dem die Spiele laufen. Das macht er aber vor allem der Kundschaft wegen. Er selbst hat mit Fußball nicht viel am Hut. Er ist im weißen Südafrika groß geworden, nicht mit einem Fußball, sondern mit einem Rugby-Ei.

“Als ich klein war, habe ich Rugby in der Schule gespielt. Es gab keinen Fußball in der Schule hier in Berlin, die ich besucht habe. Kein Fußball. Wir haben Rugby gespielt und das wars.”

Vor 16 Jahren ist Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt worden. Doch die Gesellschaft ist längst noch nicht zusammengewachsen. Ihr Land sei eine Regenbogennation, sagen die Südafrikaner. Doch wenn man es genau nimmt, fließen auch in einem Regenbogen die Farben nicht ineinander, sondern bleiben sauber voneinander getrennt, vom Anfang bis zum Ende des Bogens. Am Dienstag nachmittag spielt nicht Südafrika gegen Frankreich – es tritt nur ein Teil Südafrikas an, auf dem Platz genauso wie in der Gesellschaft.

Update: Der aktuelle Stand unseres Unterstützer-Kontos: 786, 78 Euro (wer übrigens nicht auf unserer Unterstützer-Seite genannt werden, aber unsere Mission trotzdem mit einem Beitrag unterstützen möchte, oder kein Vertrauen in Paypal hat, melde sich, es gibt für jede Herausforderung die passende Lösung: schaechtele – at – me – Punkt – com). Und hier geht´s zu unserer Facebook-Gruppe.

¬ geschrieben von admin in Allgemein, Audio

20. Juni 2010

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Bevor wir in die letzte Vorrunden-Woche gehen, nutzen wir die Zeit für ein paar Takte Landeskunde. Es geht um die südafrikanische Nationalhymne, die, so wie die Dinge stehen, am Dienstag zum letzten Mal durch die Lautsprecher deutscher Fernseher schallen wird. Diese Hymne ist nicht nur musikalisch ein Höhepunkt dieser Weltmeisterschaft, sie ist auch in anderer Hinsicht ein Unikum: In ihr vermengen sich mehrere Sprachen. Wir haben Wonga gebeten, einen Jungen aus dem Township Walmer in Port Elizabeth, uns das Geheimnis dahinter zu erklären.

“Ich bin Wonga aus Walmer Township. Es steckt kein besonderes Geheimnis hinter der Hymne. Es ist einfach ein Gebet, das in vier Sprachen aufgeteilt ist. Das sind Xhosa, Sotho und Englisch, weil wir eine sehr heterogen… und Afrikaans, es sind also vier Sprachen in einer Hymne, um zu zeigen, dass wir eine sehr heterogene Gesellschaft sind.

Nkosi sikelel’ iAfrika – God bless Africa.
Maluphakanyisw’ uphondo lwayo – Lift us up and make us proud.

Man sagt das zweimal und wechselt dann in eine andere Sprache.”

Vielleicht sollte sich daran auch die deutsche Hymne ein Beispiel nehmen und zwischen Hochdeutsch, Bayerisch und Schwäbisch hin- und herwechseln. Vielleicht aber auch besser nicht.

Übrigens: Morgen gibt es hier an dieser Stelle die nächste Ton-Bild-Reportage, diesmal über unseren Besuch im Kapstädter Township Delft.

Update: Und hier noch ein paar Zahlen: 730, 194 und 1. Die erste ist die aktuelle Summe auf unserem Unterstützer-Konto. Jeder, dem gefällt, was wir für Geschichten von den Rändern dieser Weltmeisterschaft erzählen, ist eingeladen, unsere Arbeit mit einem eigenen Beitrag zu unterstützen, so wie diese Damen und Herren. Die zweite ist die Anzahl der Mitglieder unserer Wintermärchen2010-Facebook-Gruppe. Wer sich ihr anschließen möchte, weil er sich sonst im Internet so verloren fühlt: hier entlang, bitte. Und die dritte Ziffer umfasst die Anzahl der von einem handfesten Winter-Schnupfen gepeinigten Mitarbeiter unseres Zwei-Mann-Teams. Nachts kühlt es auf unter zehn Grad ab – und es gibt keine Heizung in unserem Township-Haus.

¬ geschrieben von admin in Allgemein, Audio

19. Juni 2010

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Es war nicht das Spiel, das uns am Ende ein Loch in die Magengrube gefressen hat. Es waren die Kids aus Walmer, die noch lange nach Spielschluss verloren herumstanden und nicht wussten, wohin mit sich und ihrer Enttäuschung. Wir waren gestern im Stadion von Port Elizabeth, um uns das Spiel Deutschland gegen Serbien anzusehen, gemeinsam mit etwa 40 Jugendlichen aus Walmer, die ihre Karten Spendern aus Deutschland zu verdanken hatten (mehr dazu am Dienstag, hinter dieser Spendenaktion verbirgt sich eine sehr reizende Geschichte). Am Vormittag hatten sie sich im Masifunde-Center in Walmer getroffen, voller Vorfreude darauf, zu einem WM-Spiel zu fahren. Deutschland gegen Serbien – die Heimat der Masefundi-Mitarbeiter gegen ein Land, von dem die meisten bis dahin gar nicht gewusst hatten, dass es existiert.  Für sie war die Sache deshalb klar: Deutschland würde dieses Spiel locker nach Hause fahren, hatten sie doch im Auftaktspiel die Australier schon mit vier Toren vom Platz gewischt. Und so gerieten schon die Vorbereitungen zu einem würdigen Warm-Up: Die Mädchen bemalten sich die Wangen, die Jungs übten die deutsche Nationalhymne. Oder zumindest das, was sie davon aussprechen konnten.

Schließlich wollten alle zusammen Podolski, Klose und Schweinsteiger so feiern, als wären es Spieler der südafrikanischen Nationalelf. Und dann erlebten sie nur zwei Tage nach dem deprimierenden 0:3 ihrer Jungs gegen Uruguay, wie auch die deutsche Mannschaft einen Tag erwischte, der von vorn bis hinten unter einem schlechten Stern stand. Gelb-rote Karte, im Gegenzug das Gegentor, ein Lattentreffer und ein verschossener Elfmeter – das einzig Schöne an diesem Nachmittag war das Wetter. Wir saßen im T-Shirt auf der Tribüne, bei strahlend blauem Himmel, und als wir nach nach Spielende aus dem Stadion kamen, blickten wir auf den glitzernden Ozean. Aber auch dieser Anblick konnte die Enttäuschung der Jugendlichen nicht lindern. Umso reizender war das, was sie uns auf dem Weg ins Stadion erzählt haben. Wir werden ihre Geschichten am Dienstag in einer neuen Ton-Bild-Reportage präsentieren. Und am Tag davor, am Montag, werden wir hier unsere Reportage aus dem Kapstädter Township Delft zeigen, gewissermaßen als Einstimmung auf den mutmaßlich letzten Auftritt der Südafrikaner bei dieser WM in der kommenden Woche.

Wo wir schon dabei sind, ein paar Takte über den unterschiedlichen Umgang mit einer Niederlage. Wir saßen in der deutschen Kurve, unter Fans, die zum Teil extra aus Deutschland angereist waren und zum anderen Teil hier leben. Nach dem Spiel setzte bei vielen Deutschen das rituelle Gemaule über den Spielverlauf ein: Löw habe beim Wechseln alles falsch gemacht, Podolski und Özil hätten überhaupt nichts gebracht – dieselben Leute haben sich nach dem Australienspiel bestimmt alle noch in den Armen gelegen, als Podolski das eins zu null ins Netz gezimmert hatte. In unserem Block saßen aber auch viele Südafrikaner, die sich einfach ein WM-Spiel hatten ansehen wollen und zufälligerweise Tickets für dieses Spiel bekommen hatten. Einer davon trug das gelbe Bafana, Bafana-Trikot der Südafrikaner, über seinen Kopf hob er ein Schild, auf dem stand: „We lost 0:3 – but we are still feeling it.“ Kann man sich eine würdevollere Haltung im Moment der Niederlage vorstellen? Wir sind inzwischen seit über zwei Wochen unterwegs in diesem Land. Und wir können sagen: Wir spüren es auch noch.

¬ geschrieben von admin in Allgemein, Audio

16. Juni 2010

1 Kommentar

Als wir Menschen in Kapstadt erzählten, wo wir uns das zweite Gruppenspiel der Südafrikaner ansehen würden, sah uns die Mehrheit an, als hätten wir vor, ohne Fallschirm vom Tafelberg zu springen. Wir waren verabredet mit Sabelu Maku. Er arbeitet als Tourguide für Andulela, eine Agentur, die unter anderem Touren in die Townships organisiert. Maku lebt in Delft, einem Kapstädter Township, von dem man sich in den wohlhabenderen Stadtteilen erzählt, dass die Menschen nach Einbruch der Dunkelheit ihre Türen von innen absperren. Wäre das tatsächlich so gewesen, hätte Maku das Fleisch, das er extra für uns auf den Grill vor seinem Haus geworfen hatte (der in Südafrika nicht Grill, sondern Braai heißt), leider verbrennen lassen müssen.

Maku lud uns spontan zu sich nach Hause ein, als wir ihn fragten, ob er Lust habe, sich das Spiel Südafrika gegen Uruguay gemeinsam mit uns anzusehen. Und so verbrachten wir diesen Abend mitten im Township mit etwa 15 Delftern , die in den Abend voller Hoffnung starteten und am Ende Tränen in den Augen hatten. Auch der Hausherr konnte seine Enttäuschung nicht verbergen.

“Ich heiße Sabelo Maku, ich arbeite als Tourguide für „Andelula Experience“, einen Tourenveranstalter in Kapstadt. Ich lebe in Delft, das liegt direkt hinter dem Flughafen und ist ein Post-Apartheids-Township, in dem sich die Rassen inzwischen ein bisschen mehr vermischt haben. Hier leben 60 Prozent Coloureds und 40 Prozent Schwarze. Ich bin sehr enttäuscht über den Ausgang des Südafrika-Spiels. Wir hatten so große Hoffnungen darin gesetzt, deshalb ist das jetzt einfach traurig. Aber der Erfolg dieser Weltmeisterschaft hängt für uns nicht von diesem Spiel ab. Viel wichtiger ist, was die Welt von Südafrika wahrnimmt. Diese WM ist dafür da, dass die Menschen sehen, was in Südafrika tatsächlich passiert.”

Trotz des deprimierenden Spielausgangs haben wir mit Sabelo Maku und seinen Freunden einen sehr schönen Abend erlebt. Und wir haben uns zu keiner Sekunde unsicher gefühlt. Das aber lag daran, dass wir bei Leuten eingeladen waren, denen wir vertrauen konnten. Einer von Sabelus Freunden sagte zu uns: “Ihr müsstet jetzt nur hier diese Straße runterlaufen und könntet sicher sein, hinter der nächsten Straßenecke überfallen zu werden. Die Leute würden sich denken: Die Typen gehören nicht hierher. Also können wir sie auch ausrauben.” Eine Ton-Bild-Reportage über unsere Nacht in Delft werden wir hier auf dieser Seite präsentieren, sobald sie fertig ist.

Das wird auch deshalb etwas länger als gewohnt dauern, weil wir uns nun auf den Weg machen nach Port Elizabeth. Unsere Zeit in Kapstadt ist zu Ende, wir brechen auf zur nächsten Station unserer Reise, wo wir uns am Freitag um halbzwei Deutschland gegen Serbien ansehen werden. Vielleicht erkennt uns ja der ein oder andere im Fernsehen – wahrscheinlich sogar im T-Shirt. Die aktuelle Wetterprognose für Freitag: Sonne bei 21 Grad. Na dann: nichts wie los.

¬ geschrieben von kaischaechtele in Allgemein, Audio

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