16. September 2010
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Die WM – ein Wintermärchen! from Frey und Schaechtele on Vimeo.
Damit ging es los: „So, Leute, wir haben in den vergangenen Monaten nun wirklich oft genug gehört, dass der Journalismus an seinem Ende angelangt sei, dass niemand mehr Lust habe, Geschichten zu erzählen, und niemand mehr, sich die Geschichten, die trotzdem noch erzählt werden, anzusehen bzw. anzuhören. Wir werden das Land deshalb verlassen. Um uns auf die Suche zu machen nach den Geschichten, die es wert sind, erzählt und erlebt zu werden. Wir werden uns auf den Weg machen nach Südafrika, um Antworten auf die Frage zu suchen: Erlebt dieses Land in den vor uns liegenden Wochen sein Wintermärchen?“
Das war am 22. Mai, knapp zwei Wochen vor unserem Abflug nach Kapstadt und drei Wochen vor Beginn der ersten WM auf afrikanischem Boden. Wir hatten keine Vorstellung davon, was uns in den eineinhalb Monaten erwarten würde, die vor uns lagen. Unser Plan war, ausgerüstet mit drei Kameras, einem Mikrophon, zwei Computern und der Verbindung zum Internet, wo immer wir sie aufbauen würden können, unsere Reise Tag für Tag zu dokumentieren. Wir wollten zeigen, was die WM aus diesem Land machen und wie die Südafrikaner es empfinden würden, dass zumindest für vier WM-Wochen die ganze Welt auf sie blickt. Herausgekommen sind dabei viele, viele Texte, noch mehr Fotos und einige Ton-Bild-Reportagen. Die berührendsten und interessantesten Szenen daraus haben wir in einem etwa sechsminütigen Film zusammengefasst. Dieser Film ist gewissermaßen unsere Antwort auf die Frage, ob Südafrika sein Wintermärchen erlebt hat im Juni 2010.
Wir finden: Ja, hat es.
Und wer die Filme nun jeweils in ganzer Länge sehen möchte, bitteschön:
Tag 35: “Darling, lass uns nach einem Haus schauen”
Tag 27: “Das Herz von Durban”
Tag 19: “Facebook sei Dank – ein Ausflug zur WM”
Tag 17: “Ich bin zufrieden”
Tag acht: “Weihnachten im Quadrat”
Tag fünf: “Ich möchte heulen”
9. Juli 2010
Darling, lass uns nach einem Haus schauen from Frey und Schaechtele on Vimeo.
Im Leben von Gladys, 66, und Sylvester Mahlangu, 77, spiegelt sich die ganze Geschichte Südafrikas seit den vierziger Jahren. Sie stammen aus Johannesburg und wurden groß in einem Land, das ihnen die Bildung versagen wollte, die die Kinder der Weißen genießen durften. Sie hatten das Glück, trotzdem eine fundierte Ausbildung absolvieren zu können und ihren Platz im Apartheids-Südafrika zu finden. Später arbeiteten sie leidenschaftlich dafür, ihr Wissen an die nachkommenden Generationen weitergeben zu können. Und als Nelson Mandela 1990 aus dem Gefängnis von Robben Island entlassen wurde, aßen sie gemeinsam mit ihm zu Abend.
Über ihre Verbindung zu Mandela, dessen Johannesburger Anwaltsbüro Gladys in den Sechzigern noch mit Kuhdung geputzt hatte, sprechen sie nicht gern. Über ihr Leben dafür umso lieber: in einer neuen Ausgabe unserer Ton-Bild-Reportagen aus Südafrika.
5. Juli 2010
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Es gehört zur Realität dieser ersten Weltmeisterschaft in Afrika, dass hier Welten aufeinander prallen, die so viel miteinander zu tun haben wie der WM-Ball mit einem zusammengeknoteten Stoff-Knäuel: Mit beiden kann man Fußball spielen, doch wo der eine ein nach exakten Normen gefertigtes Hightech-Produkt aus der Ersten Welt ist, ist das andere ein Symbol dafür, wie das Leben in der Dritten Welt ist, dort, wohin kein Scheinwerfer strahlt.
Im südafrikanischen Fernsehen läuft in den Werbeunterbrechungen der WM-Spiele zum Beispiel ein Spot von Coca-Cola: Der handelt von einem computeranimierten schwarzen Jungen, der auf einer staubigen Piste Fußball spielt, dann von absurd großen Fußball-Monstern durch die Luft geschleudert wird, mit einem Schluck Cola gefüttert wird wie ein kleiner Vogel und am Ende in einem riesigen Fußballstadion landet, in dem ihm die Massen zujubeln. Bei Coca-Cola ist eben nicht nur die Limo süß, sondern auch das Klischee von Afrika.
Nokhwezi Hoboyi hat eine andere Geschichte zu erzählen. Die junge Frau kommt aus der Provinz Gauteng, einer Gegend, in der sich die einzelnen Dörfer in der Weite verlieren, mit Johannesburg in ihrem Zentrum. Nokhwezi Hoboyi ist HIV-positiv.
„Ich lebe seit zwölf Jahren mit dem Virus. Ich habe zwei Kinder durch Krankheiten verloren, die auf Aids zurückgingen. Erst nachdem sie geboren waren, habe ich herausgefunden, dass ich HIV habe. So wurden auch sie infiziert. Aber nachdem ich die antiretrovirale Behandlung begonnen hatte, habe ich mehr über HIV gelernt, weshalb ich wusste, wie ich ein Kind zur Welt bringen und es genauso wie meinen Partner schützen kann. Jetzt bin ich Mutter eines Sohnes, der HIV-negativ ist. Er wird in diesem Jahr drei Jahre alt und ist sehr gesund.“
Nokhwezi Hoboyi ist die Sprecherin der „Treament Action Campagne“ (TAC), einer südafrikanischen Organisation, die sich vor über zehn Jahren gegründet hat. Es war die Zeit, als der HI-Virus über das südliche Afrika hereinbrach wie die unsichtbare Armee einer feindlichen Macht. Die Menschen starben, ohne zu wissen warum, nur die Reichen konnten sich die Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten leisten. Hoboyi beschloss, sich dafür einzusetzen, dass alle Infizierten Zugang zu diesen Medikamenten bekommen, und schloss sich der TAC ein. Bei dem von der südafrikanischen Sektion von „Medecins sans Frontieres“ organisierten Fußballturnier hielt sie eine leidenschaftliche Rede, die wir hier dokumentieren:
Halftime – Die Krise ist noch nicht vorüber from Frey und Schaechtele on Vimeo.
Zwei Drittel der weltweit mit HIV infizierten Menschen leben laut Angaben von „Ärzte ohne Grenzen“ im südlichen Afrika. 2010 wurde vor langer Zeit definiert als das Jahr, in dem jeder Infizierte Zugang zu den lebenserhalten Medikamenten haben sollte. Doch gerade jetzt seien die Gelder vieler Länder und Institutionen dafür zurückgezogen worden, erzählt Nokhwezi Hoboyi. Mitte Juni hat die TAC bei der amerikanischen Botschaft in Johannesburg dagegen dagegen protestiert. Die Begründung laute stets, die Sterblichkeitsrate ist gesunken, wir müssen uns nun um andere Probleme kümmern, erklärt Hoboyi. Doch sie werde sich damit nicht abfinden.
„Wir machen Druck. Wir werden weiter demonstrieren, um klar zu machen, dass es uns wirklich ernst ist. Wir wollen Aufmerksamkeit erzeugen, um zu zeigen, was wirklich los ist. Die Statistiken sind das eine – doch die Realität hier ist etwas anderes.“
1. Juli 2010
Das Herz von Durban from Frey und Schaechtele on Vimeo.
Und heute: Abfahrt. Wir verlassen Durban und machen uns auf den Weg nach Johannesburg. Vorher wollen wir aber noch die neue Folge unserer Ton-Bild-Reportagen über das Herz von Durban präsentieren. Elda und Edison, die beiden Maleria-Forscher, hatten versprochen, uns den Ort zu zeigen, der uns spüren lässt, dass Durban die erste afrikanische Stadt unserer Reise ist. Die überwiegende Mehrheit der Menschen hier gehört zur Volksgruppe der Zulu, und damit unterscheidet sich Durban etwa von Kapstadt sehr stark, das in seiner Bevölkerungszusammensetzung eher europäisch daherkommt. Daneben gibt es auch eine große indische Gemeinde, was man allein merkt, wenn man das Radio anmacht. Auf Lotus FM war dies am vergangenen Samstag die Nummer eins der “Bollywood-Billboards”:
Jetzt aber zu unserer Reise ins Herz von Durban. Wenn man es genau nimmt, war es eher ein Kurztripp. Wir waren dort nicht überall willkommen, so dass wir die neue Folge unserer Ton-Bild-Reportagen unter erschwerten Bedingungen produzieren mussten. Nicht etwa, weil wir mit Kamera und Mikrofon wie Touristen aussahen. Sondern vielmehr, weil sich dort bislang so wenige echte Touristen haben blicken lassen. Doch: Seht selbst.
22. Juni 2010
Facebook sei Dank – ein Ausflug zur WM from Frey und Schaechtele on Vimeo.
Anlässlich des ersten K.O.-Spiels der Deutschen am Mittwoch abend nochmal ein sentimentaler Rückblick auf das Spiel am Freitag gegen Serbien, das unter anderem etwa 40 Kinder aus dem Township Walmer in Port Elizabeth besuchten. Der Besuch ging zurück auf eine spontane Idee der Mitarbeiter des Vereins Masifunde: Wenn die WM schon so weit weg von Deutschland stattfindet, dann können die Deutschen doch Kindern in Walmer die Tickets spendieren. Also schrieben die Mitarbeiter von Masifunde ihre Freunde und Familien an – innerhalb von zehn Stunden hatten sie 190 Tickets beisammen, unter anderem für das Spiel Deutschland gegen Serbien. Es konnte ja keiner ahnen, dass ausgerechnet in dieser Partie alles schief ging, was schiefgehen konnte. Wie die Kinder diesen Besuch erlebten, ist dieser neuen Folge unserer Ton-Bild-Reportagen zu sehen (die bislang erschienenen sind unter anderem hier, hier und hier zu sehen).
20. Juni 2010
"Ich bin zufrieden" – Ein Abend im Kapstädter Township Delft from Frey und Schaechtele on Vimeo.
Zola Williams wohnt in Delft, einem Township, das als eines der gefährlichsten ganz Kapstadts gilt. Für ihn selbst ist das Viertel dagegen das geworden, was er sich immer schon gewünscht hat: eine Heimat. Dass jetzt die Weltmeisterschaft in sein Land gekommen ist, ist für Williams die Erfüllung dessen, wofür Nelson Mandela sein Leben lang gekämpft hat – ganz unabhängig vom Abschneiden der südafrikanischen Nationalmannschaft.
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Wir machen uns in der Zwischenzeit wieder auf den Weg. Nächste Station: Berlin. In Deutschland ein großes Nest im Nordosten, in Südafrika ein kleines im Südosten.
PS: Vielen Dank an die Mitarbeiter von Andulela, die uns den Kontakt zu den Bewohnern von Delft vermittelt haben.
16. Juni 2010
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Ukeme Umamas Sicht der Dinge from Frey und Schaechtele on Vimeo.
Obwohl Ukeme Umana aus Nigeria stammt, ist er für die Menschen in Afrika keiner mehr von ihnen. Denn er ging als Jugendlicher nach Amerika, um dort die Schule zu besuchen. Und er blieb. Heute lebt er mit seiner Frau und den drei Söhnen in Illinois und ist im amerikanischen Mittelstand angekommen. Sein Slang klingt mehr nach Washington als nach Lagos, die Söhne haben die Highschool besucht und allesamt einen ordentlichen Abschluss hingelegt. Zum Dank hat er ihnen einen Trip zur Weltmeisterschaft nach Südafrika geschenkt. Und so reisen die Umanas seit einer Woche durchs Land. Sie starteten in Durban und waren beim 4:0-Sieg der Deutschen über Australien im Stadion, jetzt sind sie in Kapstadt gelandet. Noch bis Ende Juni sind sie die WM-Touristen, auf die Südafrika seit der Vergabe dieser WM vor sechs Jahren so sehr gehofft hatte und von denen jetzt weit weniger im Land sind, als die Fifa in Aussicht gestellt hatte.
Aus der Perspektive europäischer Medien müsste man allerdings sagen: Noch mindestens zwei Wochen lang schweben die Umanas in akuter Lebensgefahr, sobald sie nur den Fuß vor die Hoteltür setzen. Südafrika gilt als so gefährlich, dass für viele Beobachter aus dem Ausland ein Überfall während der WM wahrscheinlicher ist als der WM-Gewinn der Brasilianer. Das Problem solcher Beobachter ist allerdings oft: Sie beobachten aus dem Ausland, wahrscheinlich aus Angst, dass genau das passieren könnte, wovor sie gewarnt haben, wenn sie nur selbst hierher kämen.
Die Umanas haben sich trotzdem getraut und in den vergangenen Tagen einen gänzlich anderen Eindruck von Südafrika gewonnen, erzählt der Vater.
Wer Weltmeister wird? Mit seiner Antwort beweist Ukeme Umana nicht nur, dass er inzwischen auch fußballerisch in Amerika verwurzelt ist. Sondern auch, dass bei ihm Begeisterung über Sachverstand geht: „natürlich die USA“.
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Update: Bald haben wir die 1000er-Grenze erreicht. Der aktuelle Stand unseres Unterstützerkontos: 682,87 Euro. Dafür mal wieder eine ordentliche Vuvuzela-Fanfare. Vielen Dank.
15. Juni 2010
Kamerun – Japan, 90. Minute from Frey und Schaechtele on Vimeo.
Gerade in Zeiten großer Aufregung tut es not, sich ab und an zurückzuziehen. Luft zu holen. Die Stille zu genießen. Und sich auf die Suche zu machen nach etwas, was einem wieder Hoffnung gibt. Mit anderen Worten: Wir waren heute am Kap der guten Hoffnung. Auf die WM wollten wir aber trotzdem nicht verzichten. Also haben wir das Spiel Kamerun gegen Japan auf SA fm verfolgt und das Aufnahmegerät mitlaufen lassen. Im Laufe der Reportage entwickelte sich der Kommentator immer mehr zum Edi Finger Südafrikas. Wir finden, er hat es deshalb verdient, in einer Hommage verewigt zu werden.
Nach etwas einer Woche sind wir jetzt einigermaßen angekommen in diesem Land. Nur noch selten versucht der Mann am Steuer, den Wagen auf die rechte Fahrbahnseite zu steuern, wir haben erfolglos versucht, das Wort “Xhosa” so auszusprechen, das die Zunge beim X schnalzt. Doch unser Eindruck von diesem Land unterscheidet sich mitunter so sehr von dem Bild, das die deutschen Medien von hier aus nach Deutschland senden, dass man meinen könnte, es fänden zwei WMs statt – die eine hier und die andere in einem Disney-Afrika. Gestern zum Beispiel hatten wir das Vergnügen, das Auftaktspiel der Deutschen im Deutschen Club zu sehen, der sich eher als Skatclub eignet denn als Fußballkneipe. So kamen wir in den Genuss der Vorberichterstattung des ZDF. Die Reportage kurz vor Spielbeginn über den Besuch im Open Air-Museum, mit Baströckchen und Eingeborenen-Tänzen, steht für das, was in Südafrika tatsächlich passiert, so sehr wie ein Bericht über das Kaltenberger Ritterturnier für das Bild von Deutschland. Und deshalb empfehlen wir zum Ausgleich sehr die Lektüre des Offenen Briefes, den der südafrikanische Sportmoderator Peter Davies an seine Kollegen aus dem Ausland geschrieben hat. Er endet mit dem Satz: “With a dollop of the right attitude, this country will change your life.” Hoffentlich liest den auch der ein oder andere Kollege, wenn er von seinem Ausflug aus Disney-Afrika zurückgekehrt ist.
14. Juni 2010
Wir haben uns unter anderem auf den Weg nach Südafrika gemacht, um herauszufinden, was die WM aus diesem Land macht. Eine Antwort können wir jetzt schon geben: Sie macht es ärmer. Genauer gesagt: noch ärmer. Die Kosten für die Modernisierungsarbeiten am Soccer City-Stadion in Johannesburg zum Beispiel, in dem Südafrika am Freitag einen so mitreißenden Start in dieses Turnier hingelegt hat, waren ursprünglich angesetzt auf 220 Millionen Rand, das sind umgerechnet über 23,5 Millionen Euro. Für ein Land, in dem Millionen von Menschen in Hütten leben, die wie aufeinander geworfene Schuhschachteln aussehen, ist das eigentlich ohnehin schon eine kaum zu verantwortende Investition. Wie viele Häuser könnte man von diesem Geld bauen, wie viele Wasserleitungen verlegen und wie viele Toiletten installieren. Gut, könnte man sagen, das ist eben der Preis, den ein Land zu bezahlen hat, wenn es eine WM ausrichten möchte. Doch im Falle des Soccer City-Stadions war der Preis noch viel höher: Die Kosten beliefen sich am Ende auf unvorstellbare 3,3 Billionen Rand. Es war das Verdienst der Wochenzeitung Mail & Guardian, solche Fakten ans Licht zu bringen. Das Budget ist um mehr als Zehnfache überzogen worden. Für ein Stadion, das nun vier Wochen lang strahlt – und danach kaum noch gebraucht wird. Die südafrikanische Fußballliga ist in ihrem Zuschauerzuspruch in etwa mit der österreichischen vergleichbar: Wer braucht da noch ein Stadion mit einer Kapazität von 94 700 Zuschauern?
Nicht die Fifa wird am Ende die Zeche dafür zahlen, nicht die nationalen Verbände, die ihre Mannschaften hierher entsandt haben, und nicht die Werbepartner. Es sind die Südafrikaner, deren Steuern in prunkvolle Fußballtempel geflossen sind, die nach der WM wie Mahnmale der Zügellosigkeit zurückbleiben werden. Wir haben in den vergangenen Tagen mit vielen Südafrikanern gesprochen, die für dieses Turnier keinen Funken Begeisterung aufbringen können. Nicht, weil sie sich nicht für Fußball interessieren würden, sondern, weil sie so verbittert sind über die Ungerechtigkeit, die mit der Ausrichtung dieser WM einhergeht. „Nein, ich interessiere mich kein bisschen für dieses Turnier“, sagte zum Beispiel William, der uns heute nach dem Besuch in der Moschee auf einen Kaffee besucht hat (er ist der Schwager von Neil). „Und ich will kein einziges Spiel sehen. Hier leben die Menschen auf engstem Raum, die nicht wissen, was sie abends essen sollen. Und die Regierung hat unser Geld zum Fenster rausgeworfen, um neue Stadien zu bauen, die danach niemand mehr brauchen wird.“ Der Stolz der Südafrikaner darauf, dass die ganze Welt nun auf sie blickt, auf der einen Seite und die Verbitterung darüber, zu welch hohem Preis sie sich diese Aufmerksamkeit erkauft haben, auf der anderen: Dies sind die Pole, zwischen denen sich diese Weltmeisterschaft abspielt.
Und dann fährt man nachmittags ins Township Mfuleni, etwa 30 Kilometer vom Zentrum Kapstadts entfernt, und sieht, was der Fußball trotz allem bewirken kann. Wir haben ein Turnier besucht, das auf dem Gelände des Powerchild-Campus stattfand, mitten im Township mit der zweithöchsten Mordrate Kapstadts. Der Campus wird betrieben vom Münchner Verein Power-Child, und es war der Bayerische Fußballverband, der das Turnier für Kinder aus dem Township ausrichtete und zum Schluss weiß-blaue Wimpel mit dem Verbandslogo verteilen ließ. Die Kinder aus Mfuleni sollen schließlich wissen, dass der Fußballgott eigentlich ein Bayer ist.
Der Campus und seine nebenan liegenden Fußballplätze sind inzwischen zu einem festen Bestandteil der Gemeinde geworden. Hier werden Kinder betreut, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Sie lernen die Grundregeln von Hygiene kennen und können auch hier schlafen, wenn es notwendig ist. Über ein Jahr musste Astrid Gräfin Schimmelpenninck, die Leiterin des Campus, darum kämpfen, von der Gemeinde akzeptiert zu werden. Der Fußballplatz hat ihr dabei geholfen. Erstens, weil die Kinder allein deshalb gern dorthin kommen, um zu kicken, und den pädagogischen Stoff gewissermaßen in der Halbzeitpause mit auf den Weg bekommen. Und zweitens, weil inzwischen sogar die Fußballmannschaft der örtlichen Polizeieinheit dort trainiert. Als die Menschen in Mfuleni das sahen, wussten sie, dass sie ihre Kinder ruhigen Gewissens zu Schimmelpenninck und ihren Mitarbeiterinnen schicken können.
Und weil wir nicht nur nach Südafrika gekommen sind, um den Vorhang zu lüften, sondern auch, um etwas zu lernen, haben wir zum Schluss unseres Besuchs in Mfuleni Pumsa Fanape gebeten, uns eine kleine Sprachlektion zu erteilen: in Xhosa, der weit verbreitetsten Sprache unter der schwarzen Bevölkerung. Bitte gut aufpassen und repetieren, nach unserer Rückkehr wird abgefragt.
Eine Sprachlektion mit Pumsa Fanape from Frey und Schaechtele on Vimeo.
12. Juni 2010
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