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Tag zwei: Wenn das mal nicht Sepp Blatter erfährt

5. Juni 2010

Okay, okay: So hässlich, wie wir dachten, ist das WM-Stadion von Kapstadt doch nicht. Es ist vielmehr wie eine Frau, die ihren Zauber erst entfaltet, wenn sie sich für den Abend herausputzt. Gestern nachmittag trafen wir sie noch ungeschminkt und in schlechter Verfassung an, heute abend entwickelte sie sich dann Minute um Minute ein bisschen mehr zu einer strahlenden Schönheit. Der Nebel hatte sich verzogen, die Sonne ging orangefarben im Meer unter und irgendwann begann das Stadion dann, von Innen heraus zu leuchten. Und wie es sich für eine solche Diva gehört, drängelten sich ihre Bewunderer um den besten Platz: Kameraleute aus Peru, Journalisten aus Kanada, Touristen aus Japan und Einheimische, die das Stadion aus der Ferne berühren wollten. Dass die Menschen Hand anzulegen versuchen an ein Schätzchen der Fifa – wenn das mal nicht Sepp Blatter erfährt. Womöglich würde er versuchen, auch dies nur denjenigen zu gestatten, die dafür bezahlt haben.

In der gestrigen Ausgabe der Mail & Guardian, einer renommierten südafrikanischen Wochenzeitung, sind die insgesamt 17 Auflagen veröffentlicht worden, die die Fifa der südafrikanischen Regierung ins Pflichtenheft diktiert hat. Bereits 2004 hätten „relevante Mitglieder des Kabinetts“ die Einhaltung dieser Auflagen zugesichert. Dazu gehören: Polizeieskorten für die Fifa-Delegation, die teilnehmenden Mannschaften und die Schiedsrichter. Steuerbefreiung für die Fifa-Delegation und jeden, von dem die Fifa sagt, er sei ein Teil von ihr. Und die Zusicherung, dass die Hotelpreise für die Fifa-Delegation, die Repräsentanten der zur Fifa gehörenden Tochterfirmen und für die übertragenden Sendeanstalten am 1. Januar 2010 eingefroren wurden – und anschließend um zwanzig Prozent gesenkt.

Ein Übernachtungs-Discount für diejenigen, die mit diesem Turnier so viel Geld verdienen werden, dass sie davon wahrscheinlich ganze Städte in Südafrika sanieren könnten: Es ist dies einer der Gründe, warum Menschen wie Neil schon jetzt keine Lust mehr haben auf das, was hier in den kommenden Wochen passieren wird. Neil ist Psychologe, der Schulkinder in Problembezirken Kapstadts betreut, mit denen die Lehrer nicht mehr zurecht kommen. Wobei der Begriff „Bezirk“ in diesem Fall eine niedliche Untertreibung ist: Die Gegenden, in denen die Klienten von Neil und seinen Kollegen leben, sind in dieser Drei-Millionen-Metropole in sich geschlossene Sub-Städte. „Die Menschen hier werden nichts von dieser Weltmeisterschaft haben“, sagt Neil. „Ich kenne so viele Kinder, die nichts zu essen haben. Und gleichzeitig zahlen wir dafür, dass die Weltmeisterschaft überhaupt hier stattfinden kann.“ Ob Südafrika in den kommenden Wochen sein Wintermärchen erleben wird? Für viele Südafrikaner wird es wohl eher ein Märchen bleiben, dass sie von diesem Turnier überhaupt profitieren können.

Und zum Schluss noch ein billiger Kalauer. Wer Frey & Schächtele kennt, weiß, dass ihnen die schalsten Wortwitze gerade gut genug sind. Fragt also Frey oben auf Signal Hill, während er auf die Gefängnisinsel Robben Island zeigt: „Ist das da drüben Robben?“ „Ja“, antwortet Schächtele auf das WM-Stadion deutend, „und das da ist Ribéry“. Dort trifft am Eröffnungstag Frankreich auf Uruguay.

PS: Wir danken unseren Unterstützern für jetzt schon knapp 450 Euro.

Ein Kommentar zu 'Tag zwei: Wenn das mal nicht Sepp Blatter erfährt'

  1. [...] zum Beispiel William, der uns heute nach dem Besuch in der Moschee auf einen Kaffee besucht hat (er ist der Schwager von Neil). „Und ich will kein einziges Spiel sehen. Hier leben die Menschen auf engstem Raum, die nicht [...]

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