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Tag sechs: Im Trötminenfeld

9. Juni 2010

Vuvuzela in der Long Street Nr.2 und Nr.3

Früher, sagt Ivan Johnson, früher habe er die Dinger ja gehasst. Doch dann saß er während des Confederations-Cups im vergangenen Jahr im Stadion und stellte fest, was für einen wertvollen Beitrag die Vuvuzelas leisten können: Wenn sich das ganze Stadion die Lunge aus dem Leib bläst, werden Südafrikas Gegner irgendwann so wuschig, dass sie sich nicht mehr auf ihr Spiel konzentrieren können. In Südafrika ist nicht das Publikum der zwölfte Mann: Es ist die Plastiktröte.

Johnson ist Kreativ-Direktor der südafrikanischen Niederlassung des BBDO-Netzwerks, er hat im Alter von sieben mit dem Fußballspielen angefangen und schaffte es bis zum Halbprofi. Sein prominentester Gegner war Benni McCarthy, der verblichene Star der Südafrikaner, den der Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira vor wenigen Tagen aus dem Team geworfen hat. Offiziell wegen Übergewichts, tatsächlich aber soll er bis morgens um vier Frauen auf seinem Zimmer gehabt haben. Für so wenig Leidenschaft bzw. für so viel Leidenschaft für die falsche Sache hat Johnson kein Verständnis. Er hat in den vergangenen Wochen alles unternommen, um seine Agentur auf diese WM einzustimmen. Wie er das geschafft hat und warum diese WM für ihn mehr ist als ein bloßes Fußballturnier, ist am Freitag in der Financial Times Deutschland nachzulesen, in deren Auftrag wir Johnson heute besucht haben. Schon jetzt aber können wir demonstrieren, wie es aussieht, wenn aus Hass Liebe wird.

Ivan Johnson

Johnson hat sich nicht ohne Grund ausgerechnet heute verausgabt. Pünktlich um zwölf Uhr mittags wurde die WM inoffiziell angeblasen: Im ganzen Land gingen die Südafrikaner auf die Straße, um in ihre Vuvuzelas zu pusten. In Kapstadt wurde die Long Street, auf der sich Bars, Restaurants und Hostels aneinanderreihen, zum Trötminenfeld. Der Lärm war in der ganzen Stadt zu hören. Als wir auf dem Weg dorthin waren, redete sich ein Kapstädter im Radio so in Rage:

Was auch immer man in Europa über diesen Sound denken mag (und wahrscheinlich werden sich die Deutschen in den kommenden Wochen nichts sehnlicher wünschen als einen Vuvuzela-Filter in ihrem Fernseher): Wenn man mitten drin steht, findet man plötzlich Gefallen daran. Das Getröte klingt wie eine Elefantenherde auf Ecstasy.

Vuvuzela in der Long Street Nr.1

Tröööt, Vol. 2

Käfertanz

Joachim Löw allerdings wird das Geräusch schier um den Verstand bringen. Heute sagte Jack White, der Trainer der südafrikanischen Mannschaft, die 1995 die Rugby-WM im eigenen Land gewann (die Geschichte war vor ein paar Monaten im Kino zu sehen) in einem Radiointerview, dass es praktisch unmöglich sei, seinen Spielern bei diesem Lärm Anweisungen zuzurufen. Vielleicht fängt Löw ja irgendwann an, seine Taktikbefehle mit dem Schal in die Luft zu zeichnen.

Update, Donnerstag, 11 Uhr: Stephan Frey hat uns eben über Facebook geschrieben, dass in Deutschland die Vuvuzelas in den ersten Städten bereits verboten wurden. Wahrscheinlich wird das nichts nützen, weil der Lärm in den nächsten Wochen derart anschwillt, dass er bis nach Europa schwappen wird. Apropos Facebook: Gestern durften wir in unserer Facebook-Gruppe das 100. Mitglied begrüßen.

Darauf ein kräftiges Tröt.

Ein Kommentar zu 'Tag sechs: Im Trötminenfeld'

  1. Sören Krüger sagte am 10. Juni 2010 um 09:49 Uhr:

    Hallo Christian, hallo Kai,

    ein toller Blog, der die Stimmung im Land glaube ich sehr treffend einfängt! Wenn Ihr auf Eurem Weg in Port Elizabeth vorbei schaut, würde ich Euch gerne zu unserem World Cup Studio einladen: Masifunde, eine deutsch-südafrikanische NGO unterstützt sozial benachteiligte Kinder in Walmer Township, Port Elizabeth, mit umfassenden Bildungsprogrammen. Zur WM bringen wir nun die WM ins Township: In unserem WM-Studio können die Township-Kids alle Spiele der WM in einer alkohol- und drogenfreien Umgebung schauen. Lokale Künstler treten zwischen den Spielen auf, unsere Kids präsentieren interessante Fakten zu den teilnehmenden Nationen. Das World Cup Studio wird ein stimmungsvolles und farbenfrohes Event! Also, schaut mal vorbei!

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