16. Juni 2010

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Ukeme Umamas Sicht der Dinge from Frey und Schaechtele on Vimeo.

Obwohl Ukeme Umana aus Nigeria stammt, ist er für die Menschen in Afrika keiner mehr von ihnen. Denn er ging als Jugendlicher nach Amerika, um dort die Schule zu besuchen. Und er blieb. Heute lebt er mit seiner Frau und den drei Söhnen in Illinois und ist im amerikanischen Mittelstand angekommen. Sein Slang klingt mehr nach Washington als nach Lagos, die Söhne haben die Highschool besucht und allesamt einen ordentlichen Abschluss hingelegt. Zum Dank hat er ihnen einen Trip zur Weltmeisterschaft nach Südafrika geschenkt. Und so reisen die Umanas seit einer Woche durchs Land. Sie starteten in Durban und waren beim 4:0-Sieg der Deutschen über Australien im Stadion, jetzt sind sie in Kapstadt gelandet. Noch bis Ende Juni sind sie die WM-Touristen, auf die Südafrika seit der Vergabe dieser WM vor sechs Jahren so sehr gehofft hatte und von denen jetzt weit weniger im Land sind, als die Fifa in Aussicht gestellt hatte.

Aus der Perspektive europäischer Medien müsste man allerdings sagen: Noch mindestens zwei Wochen lang schweben die Umanas in akuter Lebensgefahr, sobald sie nur den Fuß vor die Hoteltür setzen. Südafrika gilt als so gefährlich, dass für viele Beobachter aus dem Ausland ein Überfall während der WM wahrscheinlicher ist als der WM-Gewinn der Brasilianer. Das Problem solcher Beobachter ist allerdings oft: Sie beobachten aus dem Ausland, wahrscheinlich aus Angst, dass genau das passieren könnte, wovor sie gewarnt haben, wenn sie nur selbst hierher kämen.

Die Umanas haben sich trotzdem getraut und in den vergangenen Tagen einen gänzlich anderen Eindruck von Südafrika gewonnen, erzählt der Vater.

Wer Weltmeister wird? Mit seiner Antwort beweist Ukeme Umana nicht nur, dass er inzwischen auch fußballerisch in Amerika verwurzelt ist. Sondern auch, dass bei ihm Begeisterung über Sachverstand geht: „natürlich die USA“.

Update: Bald haben wir die 1000er-Grenze erreicht. Der aktuelle Stand unseres Unterstützerkontos: 682,87 Euro. Dafür mal wieder eine ordentliche Vuvuzela-Fanfare. Vielen Dank.

¬ geschrieben von admin in Allgemein, Audio, Slideshows

11. Juni 2010

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Am Tag davor – Eindrücke vom Coon Carnival from Frey und Schaechtele on Vimeo.

Kapstadt am Abend vor dem WM-Beginn kommt einem vor wie der Gastgeber einer Party, der noch bis zur letzten Sekunde Vorbereitungen trifft und mit nassen Haaren die ersten Gäste begrüßt. Während sich auf dem Fanfest schon die Menschenmassen zusammenschoben – am Nachmittag waren die Tore wegen Überfüllung sogar geschlossen worden, waren noch immer Bauarbeiter damit beschäftigt, die letzten Löcher auf den Gehwegen zu schließen. Wahrscheinlich werden sie bis zur letzten Sekunde vor dem Anpfiff des Eröffnungsspiels weiterarbeiten, und wahrscheinlich wird dann alles fertig sein.

Denn auch das ist Südafrika: Es mag hier nicht so geordnet zugehen wie in Europa, vieles klappt erst auf den letzten Drücker, was auch daran liegt, dass sich die Menschen gerade in Kapstadt oft denken: Och, es ist doch noch genug Zeit, der Tafelberg ist auch nicht an einem Tag erbaut worden… Doch am Schluss kriegen es die Leute immer irgendwie hin. Es ist dieses Grundvertrauen darin, dass am Ende schon alles klappen wird, das dieses Land so besonders macht und auch die jetzt beginnende WM prägen wird. Und mal ehrlich: Die Partys, bei denen nicht alles nach Plan läuft, sind doch ohnehin die besten. Man muss sich nur mal den Coon Carnival ansehen, der ausnahmsweise gestern abend durch Kapstadt zog. Normalerweise findet der zwar immer zu Jahresbeginn statt – aber in gewisser Weise ist morgen ja auch Neujahr.

Jetzt geht die WM also endlich los. Und im Fernsehen, im Radio, auf den Straßen gibt es kein anderes Thema mehr. Sechs Jahre lang hat Südafrika auf dieses Ereignis gewartet, und plötzlich sind es nur noch ein paar Stunden, bis die erste Fußball-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden angepfiffen wird. Chris, der Sambianer aus unserer ersten Ton-Bild-Reportage, sagte: „Irgendwann ist es immer das erste Mal. Es gab eine erste WM in Europa, es gab eine erste WM in Südamerika – und jetzt gibt es die erste WM in Afrika.“ Was das für die Menschen hier bedeutet, ist für uns Europäer kaum vorstellbar. Auch dieses Turnier wird die Probleme dieses Landes nicht lösen können. Aber schon jetzt erzählen sich die Menschen davon, dass die Stimmung dieselbe sei wie während der Rugby-WM vor 15 Jahren. Es ist, als würde sich in den kommenden Wochen ein zart flirrender Regenbogen über das ganze Land spannen.

Und so stehen in der Nacht vor dem Eröffnungsspiel noch die Antworten auf zwei Fragen aus. Die erste lautet: Wird sich der inzwischen 91-jährige Nelson Mandela das Spiel Südafrika gegen Mexiko live im Stadion ansehen? Sein Enkel Nkosi Zwelivelile Mandela gab die Antwort heute im Radio:

Er kann sich in seinem Zustand nicht 90 Minuten ins Stadion setzen. Es ist schließlich Winter, wir müssen darauf Rücksicht nehmen. Denn als Südafrikaner wünschen wir ihm, dass er noch viele Jahre weiterleben wird.

Und die zweite: Wie viele Vuvuzelas haben wir allein heute gesehen gehört gespürt? Der aktuelle Stand des Vuvu-Zählers, der von nun an immer mitläuft: 5728 (5725 davon nicht im Bild).

¬ geschrieben von kaischaechtele in Allgemein, Audio, Slideshows

9. Juni 2010

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Vuvuzela in der Long Street Nr.2 und Nr.3

Früher, sagt Ivan Johnson, früher habe er die Dinger ja gehasst. Doch dann saß er während des Confederations-Cups im vergangenen Jahr im Stadion und stellte fest, was für einen wertvollen Beitrag die Vuvuzelas leisten können: Wenn sich das ganze Stadion die Lunge aus dem Leib bläst, werden Südafrikas Gegner irgendwann so wuschig, dass sie sich nicht mehr auf ihr Spiel konzentrieren können. In Südafrika ist nicht das Publikum der zwölfte Mann: Es ist die Plastiktröte.

Johnson ist Kreativ-Direktor der südafrikanischen Niederlassung des BBDO-Netzwerks, er hat im Alter von sieben mit dem Fußballspielen angefangen und schaffte es bis zum Halbprofi. Sein prominentester Gegner war Benni McCarthy, der verblichene Star der Südafrikaner, den der Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira vor wenigen Tagen aus dem Team geworfen hat. Offiziell wegen Übergewichts, tatsächlich aber soll er bis morgens um vier Frauen auf seinem Zimmer gehabt haben. Für so wenig Leidenschaft bzw. für so viel Leidenschaft für die falsche Sache hat Johnson kein Verständnis. Er hat in den vergangenen Wochen alles unternommen, um seine Agentur auf diese WM einzustimmen. Wie er das geschafft hat und warum diese WM für ihn mehr ist als ein bloßes Fußballturnier, ist am Freitag in der Financial Times Deutschland nachzulesen, in deren Auftrag wir Johnson heute besucht haben. Schon jetzt aber können wir demonstrieren, wie es aussieht, wenn aus Hass Liebe wird.

Ivan Johnson

Johnson hat sich nicht ohne Grund ausgerechnet heute verausgabt. Pünktlich um zwölf Uhr mittags wurde die WM inoffiziell angeblasen: Im ganzen Land gingen die Südafrikaner auf die Straße, um in ihre Vuvuzelas zu pusten. In Kapstadt wurde die Long Street, auf der sich Bars, Restaurants und Hostels aneinanderreihen, zum Trötminenfeld. Der Lärm war in der ganzen Stadt zu hören. Als wir auf dem Weg dorthin waren, redete sich ein Kapstädter im Radio so in Rage:

Was auch immer man in Europa über diesen Sound denken mag (und wahrscheinlich werden sich die Deutschen in den kommenden Wochen nichts sehnlicher wünschen als einen Vuvuzela-Filter in ihrem Fernseher): Wenn man mitten drin steht, findet man plötzlich Gefallen daran. Das Getröte klingt wie eine Elefantenherde auf Ecstasy.

Vuvuzela in der Long Street Nr.1

Tröööt, Vol. 2

Käfertanz

Joachim Löw allerdings wird das Geräusch schier um den Verstand bringen. Heute sagte Jack White, der Trainer der südafrikanischen Mannschaft, die 1995 die Rugby-WM im eigenen Land gewann (die Geschichte war vor ein paar Monaten im Kino zu sehen) in einem Radiointerview, dass es praktisch unmöglich sei, seinen Spielern bei diesem Lärm Anweisungen zuzurufen. Vielleicht fängt Löw ja irgendwann an, seine Taktikbefehle mit dem Schal in die Luft zu zeichnen.

Update, Donnerstag, 11 Uhr: Stephan Frey hat uns eben über Facebook geschrieben, dass in Deutschland die Vuvuzelas in den ersten Städten bereits verboten wurden. Wahrscheinlich wird das nichts nützen, weil der Lärm in den nächsten Wochen derart anschwillt, dass er bis nach Europa schwappen wird. Apropos Facebook: Gestern durften wir in unserer Facebook-Gruppe das 100. Mitglied begrüßen.

Darauf ein kräftiges Tröt.

¬ geschrieben von kaischaechtele in Allgemein, Audio

7. Juni 2010

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Und plötzlich stand dann eine Frau mit strengen Locken am Polizeiauto und verkündete durch den Lautsprecher, dass von den Karten für die Spiele in Kapstadt, deretwegen sich die Menschen eine ganze Nacht und manche sogar noch den Tag davor um die Ohren geschlagen hatten, ohnehin keine mehr da seien. Erhältlich seien nur noch „Premium-Tickets“ für 1400 Rand. Das ist das Zehnfache dessen, was die meisten auszugeben in der Lage gewesen wären. Karten der günstigsten Kategorie, die die Fifa extra für die Südafrikaner reserviert hatte, kosteten 140 Rand, das sind umgerechnet etwa 14 Euro. Die Enttäuschung verbreitete sich auf dem Parkplatz, auf dem wir gemeinsam mit etwa 100 Kapstädtern unser Nachtlager aufgeschlagen hatten, wie eine hochansteckende Krankheit. Die meisten zogen irgendwann ohne Tickets davon, wüst vor hin schimpfend, dass die Fifa keines ihrer Versprechen wahr gemacht hat.

Es sind noch drei Tage bis zum Beginn der Weltmeisterschaft. Was sie aus diesem Land machen wird, ist nach wie vor nicht abzusehen, was nicht nur an den dunklen Regenwolken liegt, die über Kapstadt hängen. Die Massenpanik von Johannesburg war zwar Titelthema der Cape Times, auf dem Parkplatz hat aber zum Beispiel keiner darüber gesprochen. Viele erwarten trotz allen Ärgers, dass mit dem Anpfiff des Eröffnungsspiels am Freitag eine Euphorie ausbricht, die das Land über die kommenden vier Wochen trägt. So wie Ilja, den wir in der Schlange kennengelernt haben. Er kümmert sich schon seit März vergangenen Jahres um Karten.

“Ich stamme ursprünglich aus Bulgarien, lebe aber schon seit 1992 hier. Ich kam gestern abend um acht hier an, jetzt ist es acht Uhr morgens. Ich habe schon etliche Karten, aber ich bin hier, um Tickets fürs Halbfinale zu bekommen. Ich bin mir sehr sicher, dass, wenn das Eröffnungsspiel erst einmal angepfiffen ist, die Stimmung explodieren wird. Die Leute werden durchdrehen und die Party wird das ganze Turnier über dauern.”

Frey & Schächtele dagegen sind noch nicht dazu gekommen, sich darüber Gedanken zu machen, was bei uns explodieren könnte. Wir haben heute zwar Karten für das Gruppenspiel der Deutschen gegen Serbien ergattert, den Rest des Tages aber im schicken Büro von Africade verbracht, einer Firma, die einer deutschen Freundin gehört – Aussicht auf den nebelverhangenen Tafelberg inklusive. Denn wir sind ja nicht zum Spaß hier: Morgen wird es an dieser Stelle unsere erste Tonbild-Reportage geben.

¬ geschrieben von kaischaechtele in Allgemein, Audio

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